Betr.: Schließung Kohlhof. An: Gesundheitsminister Jung
Der Kohlhof (Marienhausklinikum Neunkirchen) soll geschlossen werden. Hier ein Artikel von der Tagesschau darüber.
Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Dr. Jung,
derzeit durchlebt die saarländische Gesundheitsversorgung deutliche Turbulenzen. Wir Saarländer:innen schauen besorgt auf die geplante Schließung der Urlogie Sulzbach, die Defizite der Caritasklinik Saarbrücken und die Kündigungswelle am Herzzentrum Völklingen. Und nun soll der Kohlhof schließen. Man fragt sich warum, wenn es doch so offensichtlich ist, dass Neunkirchen den Kohlhof braucht.
Der Blick auf google maps zeigt: in Neunkirchen gibt es nur eine einzige Kinderarztpraxis, die nächste befindet sich in Bexbach. Die Schließung der Pädiatrie am Kohlhof bedeutet, dass eine Säule der pädiatrischen Akutversorgung einfach wegbricht. Dies geschieht zu Lasten eines Patientenkollektivs, dass sich dazu nicht äußern kann - zu Lasten von Kindern. Dazu passt auch nicht, dass zugleich in weitere KiTa-Plätze in Neunkirchen investiert wird. Gerade bei kleinen Kindern müssen Gesundheit und Betreuung gemeinsam gedacht werden.
Ein weiterere Blick auf google maps zeigt: Vom Bahnhof Neunkirchen zum Caritasklinikum St Theresia, Winterbergklinikum, Klinikum St. Wendel und UKS in Homburg sind es mit dem ÖPNV mindestens 40 Minuten Fahrt. Die Bevölkerung in Neunkirchen, der zweitgrößten Stadt im Saarland ist nicht besonders wohlhabend und somit besonders auf den ÖPNV angewiesen. Mit der Schließung des Kohlhofs muten Sie Eltern mit einem akut kranken Kind einen Weg von mindestens 40 Minuten Bus und Bahn zu. Einer hochschwangeren Frau, die zum Vorgespräch für den Kaiserschnitt in die Klinik fährt, muten Sie mindestens 40 Minuten Fahrtweg zu (und das nur, wenn wir vom Bahnhof Neunkirchen aus rechnen, der Weg von der individuellen Wohnung zum Bahnhof wurde hier außer Acht gelassen). Das geht nicht.
Für dringende Notfälle gibt es den Rettungsdienst. Möglicherweise wird diese verschlechterte Versorgungssituation zu einer Überbeanspruchung des Rettungsdienstes führen. Das würde eine weitere Verschlechterung der Versorgung bewirken - da die Rettungsmittel dann mit Fahrten gebunden sind, die zum einen sehr lang, und zum zweiten möglicherweise vermeidbar wären.
Darüber hinaus fragen wir uns: Was soll mit den 1000 Geburten pro Jahr passieren? Wo sollen die Kinder geboren werden? Nicht nur, dass die Schwangeren nun lange Wege auf sich nehmen müssten, um behandelt zu werden - die Frage ist auch, wo Platz für sie wäre. Neunkirchen ist ein sehr geburtenstarker Landkreis und zusätzlich befindet sich am Kohlhof die einzige Babyklappe im Saarland. Genau hier muss eine hochqualifizierte gynäkologische und neonatologische Versorgung gewährleistet werden.
Zuletzt möchte ich Ihnen etwas aus meinem persönlichen Alltag erzählen. Ich selbst bin Ärztin in der Anästhesie der Caritasklinik St. Theresia und habe auch einige Zeit in der zentralen Notaufnahme internistische Patienten versorgt. Manchmal wird man dort als diensthabende Ärztin von Kolleg:innen kontaktiert, mit der Bitte um Übernahme eines Patienten. Für gewöhnlich handelt es sich um Patienten, die in unserem Haus bekannt sind oder die einen Eingriff brauchen, den ein kleineres Haus nicht durchführen kann. Was mir jedoch aufgefallen ist, dass ich auch ein paar Mal Angehörige am Telefon hatte. Sie kontaktierten mich aufgelöst, um einen Patienten aus dem städtischen Klinikum in Neunkirchen "rauszuholen" und schilderten mir nicht-zumutbare Verhältnisse.
Ich weiß nicht, ob das stimmt, ob die Versorgung im Diakonieklinikum Neunkirchen wirklich so schrecklich ist. Über die medizinisch-fachliche Qualität dort möchte ich hier daher keine Aussage treffen. Es geht mir um das Ansehen: Das Diakonieklinikum hat bei der Bevölkerung ein schlechtes Ansehen - insbesondere im Vergleich zum Kohlhof. Ihr Vorschlag könnte zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung führen. Die Neunkircher:innen würden sich allein gelassen fühlen, mit ihrem "Asbest-Bunker" oder "Sarg", wie das städtische Krankenhaus auch genannt wird. Selbst wenn die medizinische Qualität nicht leiden würde, so wäre es zumindest das Vertrauen in die Politik, das verloren geht.
Zu allerletzt will ich noch kurz erwähnen: Nicht nur die Patient:innen müssen längere Wege auf sich nehmen, auch die Mitarbeiter:innen. Nach einem 24h-Dienst (ohne Schlaf!) eine Stunde Fahrt auf der Autobahn unterwegs zu sein ist mitunter auch eine Zumutung. Das mehrmals pro Woche kann dazu führen, dass die einstige Liebe zum Beruf zur Last wird.
Mit Ihrem Vorhaben, den Kohlhof zu schließen, nehmen sie besonders Kindern und Schwangeren Versorgungssicherheit und setzen sich über die Lebenrealität der Patient:innen und Mitarbeiter:innen hinweg.
Investieren Sie in den Kohlhof und in die saarländischen Gesundheitsinfrastruktur insgesamt. Zeigen Sie, dass unsere Gesundheit Ihnen genauso am Herzen liegt wie uns, dem Gesundheitspersonal.
Mit freundlichen Grüßen
Sophia
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